Die beiden Angeklagten vor der Urteilsverkündung am Landgericht Rottweil

Urteil am Landgericht Rottweil

Nach Vorwurf der Vergewaltigung: Bewährungsstrafe wegen sexuellen Übergriffs

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Samantha Happ
Samantha Happ

Am Rottweiler Landgericht ist am Mittwochabend das Urteil in dem Prozess wegen schwerer, gemeinschaftlicher Vergewaltigung gefallen. Was von der ursprünglichen Anklage bleibt.

Verschleppt, betäubt, gemeinsam vergewaltigt, ausgeraubt und nachts halbnackt auf der Straße ausgesetzt: So lauteten die Vorwürfe einer 22-Jährigen. Angeklagt waren ein 24- und ein 28-jähriger Mann aus Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) und Tuttlingen.

Die Liste der Anklagepunkte der beiden war lang. Der 28-Jährige war darüber hinaus wegen "einer weiteren gefährlichen Körperverletzung durch die Beibringung von Gift beziehungsweise gesundheitsschädlichen Stoffen" angeklagt.

Frau wurde nicht betäubt

Doch schon während des Prozesses zeigte sich, dass einige der Anklagepunkte nicht haltbar sind. Dem 28-Jährigen war vorgeworfen worden, die bereits betrunkene Frau mit dem Mittel "Lidocain" betäubt zu haben.

Doch die im Körper der Frau gefundene Menge des Mittels hätte niemals ausgereicht, um sie zu betäuben. Das Mittel sei unter anderem in Salben und Gels zu finden und könnte so in den Körper der Frau gelangt sein. In einem zweiten Verhör habe sie außerdem angegeben, selbst in das Auto gestiegen zu sein.

Nach der Tat noch mit den Männern unterwegs

Zeugen berichteten außerdem davon, wie die junge Frau abends, nach der Tat, bekleidet mit den beiden Männern in der Schwenninger Innenstadt unterwegs war. Dabei habe sie ein funktionierendes Handy dabeigehabt und auch mehrmals telefoniert oder sich mit Frauen auf der Straße unterhalten. Sie habe niemanden um Hilfe gebeten, auch nicht, als die drei am Polizeirevier in Schwenningen vorbei gelaufen sind.

Als sie in Tuttlingen wieder von den Männern abgesetzt worden war, sei die junge Frau, anders als ursprünglich angenommen, bekleidet gewesen. Das Bustier, das sie trug, sei jedoch weit verrutscht gewesen. Auch einen Hinweis auf Diebstahl ließ sich nicht finden.

Keine gemeinschaftlichen sexuellen Handlungen

Bei den Untersuchungen der Frau konnten keine Anzeichen für Gewalt nachgewiesen werden. Es sei zwar zum Sex mit beiden Männern gekommen, jedoch hätten die Handlungen nacheinander stattgefunden. Darüber hinaus habe die 22-Jährige zwar angegeben, mehrfach geweint zu haben, doch sie habe nie klar gesagt und anderweitig deutlich gemacht, dass sie das eigentlich gar nicht will.

"Nur Ja heißt Ja"

"Obwohl kein entgegengesetzter Wille geäußert worden war, wissen Sie, dass es nicht in Ordnung war, nacheinander mit einem betrunkenen Mädchen zu schlafen", wandte sich Richter Karlheinz Münzer an die beiden Männer auf der Anklagebank.

Außerdem verwies der Richter auf die Istanbul-Konvention, die hier bei der Strafgebung zum Tragen kommt: "Denn nur Ja heißt Ja." Doch vor und während der sexuellen Handlungen sei es zu keinerlei Zärtlichkeiten oder Gesprächen gekommen und auch nicht gefragt worden, ob die Frau zu sexuellen Handlungen bereit sei. Für jede sexuelle Handlung wäre eine Zustimmung nötig gewesen.

22-Jährige war stark betrunken

Die junge Frau hatte am Tattag schon mittags mit einer Freundin in einem Park Alkohol getrunken und Cannabis konsumiert. Sie habe außerdem nichts gegessen, kaum Wasser getrunken. Das Gericht spricht von einem Blutalkoholwert von 2,6 Promille und erheblichen Einschränkungen. An viele Dinge habe sich die 22-Jährige nicht mehr erinnern können, was zu völlig unterschiedlichen Aussagen bei den Verhören geführt habe.

Unklarheiten bei den Aussagen

Schon während des Prozesses kommt es bei der Befragung durch Richter Karlheinz Münzer immer wieder zu Unklarheiten in der Aussage der Angeklagten, aber auch in den Aussagen der Frau. Richter Münzer spricht von "maßlosen Übertreibungen" von Seiten der Männer.

Ihnen zufolge sei die Frau bereits im Auto übergriffig gewesen, habe einen Dreier vorgeschlagen: "Szenen, die sie vielleicht in Pornofilmen gesehen haben", so der Richter. Viele Termine und Aussagen haben unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, auch wegen der psychischen Verfassung der Frau.

Urteil: Bewährungsstrafen für beide Männer

Für den 28-Jährigen gab es eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der 24-Jährige bekam ein Jahr und sechs Monate - ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. Was von der Anklage letztlich bleibt, ist der sexuelle Übergriff.

Teil der Bewährungsauflagen ist daher, dass die beiden Männer eine Beratung zu sexueller Bildung in Anspruch nehmen müssen. Dort sollen sie mehr über die Werte, Normen und Grenzen im Umgang mit Frauen lernen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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